Knie: Achsenfehlstellung der Beine
(X-/O-Beine)

Diagnose / Therapie / Ansprechpartner

Begriffserklärung und Entstehungsursachen

Beinachsenfehlstellungen sind Abweichungen von der normalen Achse. Beim O-Bein verläuft die Beinachse auf der Innenseite des Kniegelenks, beim X-Bein auf der Außenseite. Dies führt zu einer Fehlbelastung des Kniegelenks, aber auch des Fußes und des Sprunggelenks. Eine Beinachsenfehlstellung kann angeboren sein, durch einen falsch verheilten Knochenbruch entstehen sowie durch zunehmende Abnutzung des Kniegelenks (Arthrose). In einigen Fällen liegt auch eine Stoffwechselerkrankung vor, die zu einer Erweichung und nachfolgenden Fehlstellung des Knochens führen kann.
Bei Beinachsenfehlstellungen werden langfristig die Gelenke durch die auftretende Fehlbelastung vermehrt abgenutzt. Insbesondere das Kniegelenk ist in Hinsicht auf Achsabweichungen der Beine langfristig sehr empfindlich. Menschen, die in einem höheren Alter keinerlei Kniegelenksverschleiß aufweisen, haben in aller Regel eine vollständig zentral verlaufende Beinachse.

Abb. 1:
O-Bein-Fehlstellung

Symptome und Beschwerden

Ausgeprägte Beinachsenfehlstellungen sind sichtbar (X-oder O-Beine). Hierbei darf man sich aber nicht durch die Weichteile täuschen lassen. Eine exakte Diagnose ist nur durch eine Vermessung mit Hilfe einer Röntgenaufnahme des gesamten Beines möglich. Mitttel- bis langfristig führt eine Achsfehlstellung zu einer Fehlbelastung der Gelenke und dadurch zu einer vermehrten Abnutzung und Beschwerden, die aus der entstehenden Arthrose resultieren. Aber auch die Fehlstellung selbst kann Beschwerden verursachen, wenn die normale Beweglichkeit nicht mehr gegeben ist und z.B. der Fuß beim Gehen nur mit Anstrengung nach vorne in die Laufrichtung gebracht werden kann. Häufig ist eine Achsfehlstellung auch mit einer Beinlängendifferenz kombiniert.

Diagnose

Grundpfeiler der Diagnostik ist die Untersuchung. Hierbei kann bereits durch den Aspekt des Beines der Verdacht auf eine Achsfehlstellung geäußert werden. Insbesondere Drehfehlstellungen und Fehlfunktionen der Gelenke sind in der klinischen Untersuchung festzuhalten und zu beschreiben, ebenso wie Unterschiede in der Beinlänge und die eventuell beeinträchtigte Funktion.
Unverzichtbar ist die Vermessung der Beinachse mit Hilfe einer langen Röntgenaufnahme, also des gesamten Beines. Gegebenenfalls können auch Zusatzuntersuchungen wie eine Computertomografie oder Kernspintomografie hinzugezogen werden.
Neben der Beschreibung der Deformität muss nach der Ursache der Fehlstellung geforscht werden. Dies ergibt sich entweder aus der Krankengeschichte oder die weiterführende Diagnostik muss klären, ob es sich z.B. um eine Verschleißerscheinung, eine Stoffwechselerkrankung oder auch um eine angeborene Fehlbildung des Knochens handelt.

Abbildung 2: Röntgenbilder einer O-Beinstellung

Therapie

Die Behandlung richtet sich nach der Ursache und dem Ausmaß der Fehlstellung sowie dem Lebensalter des Patienten. Bei Kindern kann unter Umständen das Wachstum der Beine ausgenutzt werden, um eine Achskorrektur zu bewirken.
Die häufigste Achsfehlstellung ist degenerativ, also durch Abnutzung bedingt. Im Anfangsstadium reicht hier oft eine Schuhaußenranderhöhung, bei höhergradigen Fehlstellungen sollte aber eine Achskorrektur durchgeführt werden, um einen vorzeitigen Verschleiß des Kniegelenks zu verhindern.

Abbildung 1 (anklicken zum Vergrößern): O-Bein-Fehlstellung mit einer Mehrbelastung des inneren Kniegelenkspaltes. Die Korrektur erfolgt durch eine öffnende Osteotomie (Knochendurchtrennung) unterhalb des Kniegelenks. Dies führt zu einer Ausgradung des Beines und einer Normalisierung der Belastungslinie. Oben das klinische Bild vor der Operation und das dazugehörende Röntgenbild, unten der Zustand kurz nach der Operation mit den entsprechenden Röntgenbildern, die eine gute Ausgradung der Beinachse zeigen.

Ist der Verschleiß bereits weiter fortgeschritten, wird die Beinachse leicht überkorrigiert, um eine Belastung des noch weniger beschädigten Gelenkanteils zu erreichen und den bereits veränderten Gelenkanteil zu entlasten.

Vorraussetzung für eine erfolgreiche Behandlung ist die genaue Fehlstellungsanalyse und Korrekturplanung, die mit Hilfe der Maßaufnahmen und einer Computersimulation durchgeführt wird.

Abbildung 3: Beispiel einer Korrektur eines X-Beines

Abbildung 2 (anklicken zum Vergrößern: Röntgenbilder einer O-Beinstellung mit deutlichem Verschleiß des inneren Gelenkanteils. Die Analyse und Planung ergibt, dass an zwei Stellen korrigiert werden muss, um eine genaue Korrektur zu ermöglichen. Rechts das Röntgenbild nach erfolgter Korrektur mit zwei einliegenden Platten. In der Mitte vorangegangene Computersimulation der Korrektur.

Abbildung 3 (anklicken zum Vergrößern: Beispiel einer Korrektur eines X-Beines. In diesem Fall lag eine Stoffwechselerkrankung vor, die zu einer verminderten Festigkeit des Knochens geführt hatte (Osteomalazie).

Da Beinachsenfehlstellungen oder auch Zustände nach Unfällen und Knochenbrüchen nicht selten zu einer Beinverkürzung und damit zu einem Beinlängenunterschied führen, sind gelegentlich auch Verlängerungen des Knochens bzw. der betroffenen Extremität erforderlich. Dies kann durch die sogenannte „Kallusdistraktion“ erreicht werden: Der Knochen wird durchtrennt und dann mit Hilfe eines äußeren Spanners (Fixateur extern) zunächst in die richtige Stellung gebracht und dann sehr langsam kontinuierlich in die Länge gezogen. Dies führt zu einem Nachreifen des Knochens in dem Gebiet, das auseinandergezogen wird und damit zu einer Knochenneubildung und Verlängerung der Extremität. Diese Behandlungen sind in der Regel langwierig und aufwendig.

Abbildung 4:
Beispiel einer Kallusdistraktion

Abbildung 4 (anklicken zum Vergrößern: Beispiel einer Kallusdistraktion (Knochenverlängerung) bei einem Patienten, der nach einem Unfall eine Unterschenkelverkürzung erlitten hatte. Der Unterschenkelknochen wird an einer gesunden Stelle (unterhalb des Kniegelenkes) durchtrennt und mit Hilfe des äußeren Spanners (Fixateur extern) in die Länge gezogen. Man erkennt im rechten Röntgenbild etwas streifig die Neubildungszone des Knochens, der in der Verlängerungsstrecke nachreift.

Bei lange bestehenden Achsabweichungen und einer bereits deutlichen Arthrose ist dann im Endstadium häufig nur noch der künstliche Gelenkersatz (Endoprothese) in der Lage, eine schmerzfreie Funktion zu ermöglichen. Bei der Planung und Operation einer Kniegelenks-Endoprothese wird neben dem Gelenkersatz gleichzeitig eine Korrektur der Beinachse durchgeführt, um eine korrekte Belastung auch des Kunstgelenkes zu gewährleisten.

Abbildung 5: Hochgradige
Arthrose

Abbildung 5 (anklicken zum Vergrößern: Hochgradige Arthrose des äußeren Kniegelenkspaltes bei einer langjährigen X-Bein-Fehlstellung. Bei dem durchgeführten Gelenkersatz wird gleichzeitig eine Korrektur der Beinachse bewirkt, um eine gleichmäßige Belastung des Implantates zu gewährleisten.

Nachbehandlung

Auf die Korrektur-Operation folgt meist ein mehrtägiger Krankenhausaufenthalt. Bereits von Anfang an sollte der Knochen teilweise vorsichtig belastet werden, um die Knochenstruktur zu festigen. In den ersten Wochen nach der Operation sind Unterarmstützen hilfreich. Nach circa sechs Wochen wird, abhängig vom Röntgenbefund, das Bein wieder voll belastet. Bei Verlängerungsbehandlungen ist der Zeitpunkt bis zur Aufnahme der Belastung abhängig von der Strecke, die verlängert werden muss. Zur Heilungsbeschleunigung empfiehlt sich Krankengymnastik. Auch Sport, wie beispielsweise Schwimmen, kann wieder betrieben werden – allerdings sollte von zu stark belastenden Sportarten zunächst abgesehen werden.

Ansprechpartner

Zentrum für Endoprothetik, Fußchirurgie, Kinder- und Allgemeine Orthopädie
Chefarzt Prof. Dr. Ralf Skripitz

Tel 0421.8778-357
Fax 0421.8778-109
Mail orthopaedie@roland-klinik.de